Warum brauchen wir in den 20er Jahren des 21. Jahrhunderts immer noch nicht nur Utopien, sondern auch Frauen*- und feministische Utopien?
Der Ausgangspunkt dieses Buches ist eine Studie, die im
Jahr 2022 von Studierenden der Politischen Bildung an
der Johannes Kepler Universität Linz durchgeführt wurde. Frauen, die in sogenannten frauentypischen Berufen
tätig sind, wurden zu ihren Lebensvorstellungen, Sehnsüchten und Wünschen befragt. Welche Visionen haben
sie von einem glücklichen Leben?
Im Vorfeld zu diesem Buch wurden also Frauen
interviewt , die sonst nicht gefragt werden, wenn es um
den Entwurf einer gerechten Gesellschaft geht
– Pflegerinnen, Verkäuferinnen, Reinigungskräfte, Kellnerinnen, Friseurinnen, Hebammen, Pädagoginnen. Ein gemeinsamer Nenner wird in allen Interviews sichtbar:
Der Wunsch nach Solidarität unter Frauen
*. »We must
learn to live and work in solidarity. We must learn the
true meaning and value of Sisterhood«, schreibt schon
bell hooks 1986 in ihrem Essay »Sisterhood: Political
Solidarity between Women«. Die Ergebnisse der Studie
weisen vier relevante Kategorien auf, also Themen,
die von den Frauen in den Interviews immer wieder genannt wurden: Sicherheit, Geschlechterneutralität, Gerechtigkeit sowie Selbstbestimmung und Freiheit von
gesellschaftlichen Erwartungen.
Evelyn Bernadette Mayr schreibt über die Revolution der Frauen* in Nicaragua und deren Scheitern, über
die Folgen für die Frauen* aber auch über das, was geblieben ist. Sie schreibt über »die neue Qualität der Umbruchszeit eines Aufeinander-Bezogen-Seins, die Art
und Weise der Beziehung der Menschen untereinander
in ihrer Sehnsucht nach einem Miteinander von Gleichen unter Gleichen«.
Olga Shparaga bezieht die Ergebnisse der Studie
der Johannes Kepler Universität Linz auf ihre eigenen
Forschungsarbeiten und schreibt über Frauen*, die in
der belarusischen Revolution aktiv waren. Sie entwirft
eine Politik der Fürsorge–als Voraussetzung für Demokratie und Freiheit, eine Utopie für eine Revolution, für
eine Gesellschaft ohne Machthierarchien und eine Utopie von Sisterhood (Schwesterlichkeit als Begriff der Solidarität unter Frauen*) als politische Kraft.
Beide schreiben über Frauen*, die über die Grenzen des ihnen zugeschriebenen (Frau*-) Seins hinausgegangen sind.
Marlene Streeruwitz schenkt uns im Epilog einen
versöhnlichen Ausblick auf eine Zukunft, die friedlicher,
sozialer, weiblicher gedacht werden kann